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Aufruf zur Mäßigung: Wir dokumentieren den Brief des Dachverbands der Fanhilfen e.V. an den sächsischen Innenminister Armin Schuster

Anfang Dezember planen die Innenminister der Länder auf ihrer Konferenz (IMK) in Bremen, neue weitreichende Maßnahmen gegen alle Fußballfans zu beschließen. Begründet werden diese zum wiederholten Male mit Falschinformationen. Darauf wurde nun reagiert.

„Immer wieder werden in der aktuellen Debatte um die Stadionsicherheit Falschbehauptungen in den Raum gestellt. Der sächsische Innenminister Armin Schuster hat sich hierbei in den vergangenen Tagen besonders hervorgetan. Die von ihm verbreiteten Mythen über angebliche Sicherheitsrisiken in den Stadien bringen Fans massiv in Misskredit. Gleichzeitig positioniert sich Herr Schuster als Hardliner in einer von ihm selbst angezettelten Debatte, die keinerlei Faktenbasis besitzt. Da wir dies im Sinne aller Fans nicht weiter hinnehmen können, rufen wir Innenminister Armin Schuster erneut zur Mäßigung und Anerkennung der bekannten Fakten auf: Die Stadien sind sichere Orte“, so Finn-Christian Frömming, Vorstandsmitglied im Dachverband der Fanhilfen e. V.

Am vergangenen Wochenende haben Fans überall im Land ein eindrucksvolles Zeichen des Protests gegen die Pläne der Innenministerkonferenz gesetzt. Deutschlandweit wurde in den ersten 12 Minuten der Spiele an diesem Wochenende geschwiegen, um den Kontrast zu dem, was die Innenminister planen, deutlich zu machen. In den Stadien gab es dafür große Unterstützung. Auch zahlreiche Vereine haben sich bereits entsprechend positioniert.

„Weiterhin sind alle Dokumente zu den neuen Maßnahmen unter Verschluss, um ganz bewusst eine öffentliche Debatte zu verhindern. Und dann, wenn sich von politischer Seite geäußert wird, werden wie im Fall von Armin Schuster zahlreiche Falschbehauptungen verbreitet. Dieser schädliche Umgang mit der Realität und der interessierten Öffentlichkeit muss endlich beendet werden, bevor noch mehr Schaden angerichtet wird“, so Finn-Christian Frömming abschließend.

Hier geht’s zum Brief: Brief an Armin Schuster

Verschärfung statt Verfassung? – Sachsens Fanhilfen sagen Stopp!

Verschärfung statt Verfassung? – Sachsens Fanhilfen sagen Stopp!

Das Sächsische Kabinett, das Gremium der regierenden Parteien CDU & SPD, hat Anfang Oktober 2025 einen Gesetzesentwurf des Sächsischen Innenministers Armin Schuster (CDU) zur Änderung polizeirechtlicher Vorschriften des Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetzes beschlossen. Dieser liegt der Öffentlichkeit in Gänze noch nicht vor, in einer Medieninformation berichtet die Staatsregierung über die wesentlichen Inhalte. Die geplanten Änderungen zur Strukturierung des Polizeirechts entsetzen die Fanhilfen der Fußballfans in Sachsen gleichermaßen. Daher fordern die Fanhilfe Zwickau (FSV Zwickau), das Rechtshilfekollektiv Chemie Leipzig (BSG Chemie Leipzig) und die Schwarz-Gelbe Hilfe (SG Dynamo Dresden) den sofortigen Stopp weiteren Abbaus von Bürger- und Freiheitsrechten durch diesen Gesetzesentwurf.

Dass gesetzliche Änderungen durch das Sächsische Innenministerium (kurz: SMI) dringend notwendig wurden, entschied immerhin der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen schon am 25. Januar 2024. Er stellte fest, dass verschiedene Normen des seit dem 1. Januar 2020 geltenden Gesetzes zur Neustrukturierung des Polizeirechtes mit der Verfassung des Freistaates Sachsen schlicht nicht vereinbar sind. Das Gericht setzte daher eine Frist zur Korrektur zum 30. Juni 2026.

“Irritation und Entsetzen herrscht vor allem darüber, dass der amtierende Innenminister Armin Schuster den Auftrag durch das geltende Urteil des höchsten Gerichts des Freistaates Sachsen wohl vollständig missverstanden hat. Statt das geltende Gesetz auf die Grundlagen der Sächsischen Verfassung zu bringen, spielt er weiter mittels polizeirechtlicher Verschärfungen und ausufernden Befugnissen der sächsischen Polizei mit dem Feuer an der Sächsischen Verfassung” sagt ein Sprecher des Fanhilfen-Netzwerkes.

Geplant sind im Schuster´schen Gesetzesentwurf neben einer Drohnenabwehr durch die Polizei auch die Ausweitung von Ermittlungsbefugnissen im digitalen Raum. Mittels Quellen-TKÜ, welche die Schwächung von digitalen Sicherheitsaspekten voraussetzt, soll die sächsische Staatsmacht verschlüsselte Kommunikation mitlesen dürfen. Auch soll der anlassbezogene Abgleich mit öffentlich zugänglichen Internetdaten zur polizeilichen Fahndung und Auswertung gesetzlich ermöglicht werden. Damit dies aber nicht zuviel Personal am Schreibtisch bindet, soll dies über einen weiteren heiklen Punkt im Gesetz erfolgen: Dank automatisierten Datenanalyse, sprich dem geplanten Einsatz einer KI-basierten Software, sollen diese Datenberge dann ausgewertet werden

Ein Fanhilfe-Sprecher dazu: “Dass es hier im Regelfall um eine höchstumstrittene, verfassungsgemäß-bedenkliche und datenschutzrechtlich-kritische Software des US-Herstellers Palantir geht, sieht man am Einsatz einer solchen Software in den Bundesländern Hessen und Bayern. Im Zusammenspiel mit der, nach Gesetzesentwurf geplanten verdeckten automatisierten Kennzeichenerkennung und dem Einsatz intelligenter Videoüberwachung wäre der gläserne sächsische Bürger dann wohl perfekt.”

Doch auch die geplante Ausstattung von Elektroschock-Tasern in weite Teile der sächsischen Landespolizei sollte Fußballfans insbesondere nach dem Einsatz eines solchen Einsatzmittels gegen Fans von Bayer Leverkusen in Nordrhein-Westfalen aufschrecken lassen.

“Mit diesem vorgelegten Gesetzesentwurf zur Regelung der Befugnisse der sächsischen Polizei begeht der sächsische Innenminister Armin Schuster erneut einen bewussten Verfassungsbruch. Anstatt die verfassungsgemäße Ordnung des sächsischen Polizeirechts herzustellen, erweitert man dieses um dutzende weitere verfassungswidrige Argumente” resümiert ein Netzwerk-Sprecher. “Dass noch eine weitere Verfassungsbeschwerde gegen die derzeitige Version des Polizeigesetzes des Landes Sachsen am Bundesverfassungsgericht anhängig ist, scheint die sächsische Regierung dabei auch nicht zu stören” ergänzt der Sprecher.

Unter dem Deckmantel des allgemeinen Bevölkerungsschutzes und eines abstrakten Sicherheitsgefühls sollen Bürger- und Freiheitsrechte abgeschafft und polizeiliche Befugnisse ausgebaut werden, welche vor allem gesellschaftliche Randgruppen wie wir Fußballfans zuallererst zu spüren bekommen werden. Nicht mit uns!

Fanhilfe Zwickau e.V.
Schwarz-Gelbe Hilfe e.V.
Rechtshilfekollektiv Chemie Leipzig e.V.

Die Pressemittelung ist HIER als PDF downloadbar

Pressemitteilung zur Klage gegen sogenannte Allgemeinverfügung bei Fußballspiel im Alfred-Kunze-Sportpark

Pressemitteilung zur Klage gegen sogenannte Allgemeinverfügung bei Fußballspiel im Alfred-Kunze-Sportpark

• Fanhilfe unterstützt Klage einer Anwohnerin gegen die Allgemeinverfügung der Stadt Leipzig zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bei Fußballspielen
• Klägerin kritisiert den räumlichen Umfang der Verfügung und die damit verbundenen Einschränkungen für Anwohnerinnen und Anwohner
• Vom Gesetzgeber implementierte juristische Unschärfen dürfen nicht zu einer pauschalen potentiellen Kriminalisierung von Fans und Wohnumfeld des Alfred-Kunze-Sportparks führen

Vor dem Verwaltungsgericht Leipzig ist derzeit eine Klage einer im Umfeld des Alfred-Kunze-Sportpark wohnhaften Anwohnerin anhängig. Die Klage richtet sich gegen die Allgemeinverfügung der Stadt Leipzig betreffend das Spiel der BSG Chemie Leipzig gegen den FSV Zwickau in Leipzig-Leutzsch. Als Anwohnerin und Besitzerin eines Kleingartens im örtlichen Kleingartenvereins, war die Klägerin von der Allgemeinverfügung betroffen und entschloss sich hiergegen – unterstützt durch das Rechtshilfekollektiv – zu klagen.

Zum Hintergrund: seit September 2024 gilt in Sachsen das neue Sächsische Versammlungsgesetz. Die Strafbarkeit von Vermummungen, Uniformierungen oder Schutzbewaffnungen auf »sonstigen öffentlichen Veranstaltungen« – hierzu gehören auch Fußballspiele – im sächsischen Versammlungsrecht wurden aus »kompetenzrechtlichen Gründen« gestrichen und stattdessen neu im Sächsischen Polizeibehördengesetz geregelt. Mit besagter Veränderung erfordert diese jedoch dem klaren Wortlaut nach eine vorherige behördliche Anordnung. Aus diesem Grund erstellt die Ordnungsbehörde in Abstimmung mit der Polizei regelmäßig zu Risikospielen sogenannte Allgemeinverfügungen, die kurz vor den Spielen im Amtsblatt publiziert werden.

Die Verfügungen untersagen sinnvollerweise u.a. das Tragen von Waffen (wie z.B. Baseballschlägern). Gleichzeitig erweitern sie die den Verbotsumfang allerdings auch auf Alltagsgegenstände wie Sonnenbrillen, Tücher oder Mund-Nasen-Schutze. Insbesondere die räumliche Ausweitung der Verfügung über das genuine Stadion hinaus erwies sich in der Vergangenheit als hochproblematisch. Bei den Allgemeinverfügungen der letzten Monate reichte der »räumliche Umgriff« der Verfügung sowohl auf das Gelände rund um den Leutzscher Bahnhof, das angrenzende Villenviertel sowie mehrere Haupt- und Nebenstraßen. Außerdem beinhaltete die Verfügung eine Wohnsiedlung und einen Kleingartenverein im angrenzenden Stadtteil Böhlitz-Ehrenberg. Hier wohnt u.a. auch die Klägerin.

Fabian Grundmann vom Rechtshilfekollektiv dazu: »In der Praxis bedeutet die Allgemeinverfügung, dass die Polizei zu Spielen im AKS den Stadtteil nach Menschen mit Sonnenbrillen, Schals und Tüchern abscannt. Nicht nur für Stadtteilbewohner, auch für Fans ist das oft sehr unangenehm. Es gab durchaus schon sehr absurde Situationen«. Und Rechtsanwalt Christian Mucha, der die Klägerin vertritt, ergänzt: »Ein Fußballspiel ist eine zeitlich und räumlich begrenzte Veranstaltung. Eine ins Belieben der Behörde gestellte Ausweitung der Verbote ist daher sehr problematisch und nach unserer Auffassung nicht vom Gesetz gedeckt. Hier braucht es Rechtssicherheit für Fans und Anwohnerinnen und Anwohner.«

Mit der Klage soll u.a. erreicht werden, dass Gerichte die Rechtmäßigkeit und vor allem den räumlichen Umfang der Allgemeinverfügungen prüfen. In Frage steht dabei auch, ob die Behörden die Allgemeinverfügungen wahllos im Vor- und Nachfeld von Veranstaltungen ausdehnen dürfen. Die Klägerin befürchtet u.a. aufgrund der Verfügungen und ihrer Auslegung sanktioniert zu werden, denn bei Verstößen stehen laut SächsPBG auch Freiheitsstrafen im Raum.

Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung.

Rechtshilfekollektiv Chemie Leipzig, 5. März 2025


Rechtshilfekollektiv Chemie Leipzig e.V.
c/o Linxxnet, Brandstraße 15,
04277 Leipzig
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https://www.instagram.com/rechtshilfekollektiv
http://www.rechtshilfe-chemie.de/

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Presseinformation des Rechtshilfekollektiv Chemie Leipzig e.V.

Presseinformation des Rechtshilfekollektiv Chemie Leipzig e.V.

• Landgerichtsurteil zum Thema »kurzzeitige Vermummung« bestätigt
• Zahlreiche Einstellungen in Derbyverfahren aufgrund neuer Gesetzeslage
• Staatsanwaltschaft Leipzig nimmt Revision vor dem OLG zurück und beugt
sich liberalen Rechtsstaatsgrundsätzen

Nicht jede Vermummung bei Fußballspielen in Sachsen ist strafbar. Mehrere Fans der BSG Chemie haben
zusammen mit ihren Anwältinnen und Anwälten richtungsweisenden Urteile bzw. Einstellungen erstritten.
Demnach ist nach der Novellierung des Sächsischen Versammlungsgesetzes bei Sportveranstaltungen die
»kurzzeitige Vermummung« unter bestimmten Umständen nicht strafbar – das gilt insbesondere für Altfälle.

Mehrere Verfahren, so etwa von den Rechtsanwälten Daniel Werner, Jonas Teubner und Erkan Zünbül, die alle
vermeintliche Straftaten wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz vom Derby des 8. Mai 2022 betrafen,
endeten nunmehr mit Freisprüchen oder Einstellungen. In besagten Fällen sollen sich einzelne Fans vor oder
während des Spiels temporär vermummt haben. Beispielweise wurde einem Fan, die auch Mitglied der Fanhilfe
ist, vorgeworfen, sich kurze Zeit während des Abbaus einer Choreografie vermummt zu haben. Monatelang
hatte die Leipziger Staatsanwaltschaft dazu mit hohem Aufwand ermittelt, u.a. wurden sogenannte Super-
Recognizer und verdeckte Ermittler im Stadion eingesetzt. Der überbordende Ermittlungseifer des zuständigen
Staatsanwalts wurde durch Fananwält:innen und das Rechtshilfekollektiv bereits mehrmals in der
Medienberichterstattung kritisiert.

Das Thema »kurzeitige Vermummung« bei Fußballspielen war bereits häufiger Anlass juristischer
Auseinandersetzungen. »Zentral war dabei stets die Frage, ob die Person, die kurzzeitig z.B. einen Fan-Schal
über die Nase zieht oder Mütze und Sonnenbrille aufsetzt, wirklich ihre Identität vor der Polizei verschleiern
will. Sehr oft ist das gar nicht intendiert und hat ganz andere Gründe«
, so Miriam Feldmann vom
Rechtshilfekollektiv.

In den vorliegenden Fällen musste dieser Frage nicht nachgegangen werden, denn durch eine Gesetzesänderung
im September 2024 änderte sich die Rechtslage: die Strafbarkeit von Vermummungen auf »sonstigen
öffentlichen Veranstaltungen« im sächsischen Versammlungsrecht wurde gestrichen und stattdessen neu im
Sächsischen Polizeibehördengesetz geregelt. Nunmehr erfordert diese jedoch dem klaren Wortlaut nach eine
vorherige behördliche Anordnung. Eine solche hatte es beim Derby im Mai 2022 nicht gegeben. Für Altfälle gilt
nun: das neue Gesetz ist milder und damit anzuwenden – eine juristische Binsenweisheit, welche die Leipziger
Staatsanwaltschaft jedoch zunächst nicht einsehen wollte.

Rechtsanwalts Werners Fall ging bis vor das Landgericht und endete mit Freispruch – wir berichteten. Doch die
Staatsanwaltschaft legte wie von uns bereits befürchtet Revision ein. Nun nahm Sie diese kurz vor Weihnachten
zurück.

Rechtsanwalt Daniel Werner dazu: »Mit der Rücknahme der Revision hat die StA Leipzig gerade noch so die
Kurve gekriegt. Bei einer Gesetzesänderung im laufenden Strafverfahren ist das mildere Gesetz anzuwenden.
Das ist im Strafgesetzbuch und im Grundgesetz klar geregelt. Wenn dies über weite Strecken des Verfahrens
abgelehnt wird, scheint es bei der StA Leipzig Probleme mit der Akzeptanz des liberalen Rechtsstaates zu
geben.«

Wir freuen uns mit den betroffenen Chemie-Fans und ihren Rechtsbeiständen über die Freisprüche. Die Kosten
der Verfahren übernimmt die Staatskasse.

Für etwaige Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung.

Miriam Feldmann (Pressesprecherin)

Kontakt via Mail: kontakt@rechtshilfe-chemie.de

Weitere Infos finden Sie auf unserer Instagram-Seite und unter http://www.rechtshilfe-chemie.de/

Die Pressemitteilung ist HIER als PDF downloadbar

Pressemitteilung zur Versendung sogenannter »Gefährderanschreiben« der Leipziger Polizei im Vorfeld der Euro 24

Pressemitteilung zur Versendung sogenannter »Gefährderanschreiben«
der Leipziger Polizei im Vorfeld der Euro 24

• Fanhilfe kritisiert die pauschale Stigmatisierung von Fußballfans
• Unzähligen Fans wird in offiziellem Schreiben unterstellt, sie seien
Straftäter:innen
• Mehrere Klagen gegen Polizeidirektion Leipzig, um die Rechtswidrigkeit
der Schreiben feststellen zu lassen

In den vergangen Tagen hat die Polizeidirektion Leipzig landesweit unzählige Schreiben an
Fußballfans u.a. der BSG Chemie Leipzig verschickt, in denen sie anlässlich der Fußball-
Europameisterschaft im Sommer unterstellt, die angeschriebenen Personen würden ein
»rechtswidriges Verhalten« während des Turniers planen. Die sogenannten Gefährderanschreiben
sind seit vielen Jahren ein vermeintlich präventives Mittel, um potentiellen Störer:innen bei
Großveranstaltungen zu signalisieren, dass die Exekutivbehörden sie ganz genau »auf dem Kieker
haben«. In der Regel besitzen sie kaum Mehrwert, die »Trefferquote« ist in Fachkreisen höchst
umstritten. In den Schreiben heißt es u.a. recht martialisch: »… Sie werden aufgrund ihres
strafrechtlich relevanten Verhaltens im Zusammenhang mit vergleichbaren Veranstaltungen der
gewalttätigen Fußballszene zugerechnet.«

Die Daten-Grundlage der Gefährderanschreiben ist zumeist die bundesweite »Gewalttäter Sport-
Datei«. Hier werden seit vielen Jahren Menschen zusammengetragen, die in irgendeiner Art und
Weise im Rahmen eines Fußballspiels »auffällig« geworden sind. Unterschieden wird dabei kaum:
Wildpinkler geraten ebenso in die Datenbank, wie Menschen, die im Zuge einer
Identitätsfeststellung ihre Personalien vorzeigen mussten oder bei kaltem Wetter ihren Fanschal
zu tief ins Gesicht gezogen haben. Entscheidend ist weder eine rechtskräftige Verurteilung oder
eine profunde Einschätzung der Behörden – es reicht in vielen Fällen allein die subjektive
Beurteilung einiger Polizeibeamter.

Für Miriam Feldmann vom Rechtshilfekollektiv der BSG Chemie Leipzig ist klar: »Dass hier teils
völlig unbescholtene und nicht vorbestrafte Fans durch die Polizei eingeschüchtert und als
potentielle Straftäter:innen markiert werden, ist für uns ein erheblicher Eingriff in die
Persönlichkeitsrechte und entbehrt außerdem jedweder Verhältnismäßigkeit. Als Fanhilfe
unterstützen wir alle Betroffenen, um sich gegen die Stigmatisierung der Leipziger
Polizeidirektion juristisch zu wehren.«

Mit ihren Gefährderansprachen bringt die Polizei zum Ausdruck, dass sie die Betroffenen für
potentielle Rechtsbrecher hält. Sie agiert dabei systematisch, pauschal, populistisch und zumeist
ohne wirkliche Kenntnisse über Fanszenen und »echte Gefahren«. Mindestens drei Klagen von
Chemiefans
beim Verwaltungsgericht Leipzig sind daher bereits von Rechtsanwälten auf den Weg
gebracht.

Rechtshilfekollektiv Chemie Leipzig, 2. Juni 2024

Für Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
Mail: kontakt@rechtshilfe-chemie.de

Die Pressemitteilung ist HIER als PDF downloadbar

Das Rechtshilfekollektiv/RHK ist die Fanhilfe der Fanszene von Chemie Leipzig und im bundesweiten Dachverband
Fanhilfen e.V. assoziiert. Wir sind Teil einer übergreifenden Solidargemeinschaft zur Unterstützung von Fans der BSG,
die aufgrund von Ereignissen rund um die Spiele unseres Vereins Probleme mit der Polizei oder Justiz bekommen
haben.

Pressemitteilung des »Rechtshilfekollektivs« zur Beschlagnahme der Choreographie durch die Leipziger Staatsanwaltschaft vor dem Spiel der BSG Chemie Leipzig gegen Energie Cottbus


Pressemitteilung des »Rechtshilfekollektivs« zur Beschlagnahme der
Choreographie durch die Leipziger Staatsanwaltschaft vor dem Spiel der BSG
Chemie Leipzig gegen Energie Cottbus


• Maßnahme von Oberstaatsanwalt Schulz führt zu landesweit
einmaliger Solidarisierungsaktion von 4300 Fans, Mannschaft,
Trainerstab und Vereinsführung

• Polizei biegt sich im Nachgang Beschlagnahme-Gründe zurecht und
veröffentlicht bewusst Falschinformationen

• Fanhilfe fordert Konsequenzen bei den Verantwortlichen von Polizei
und Staatsanwaltschaft

Vor dem gestrigen letzten Regionalligaspiel beschlagnahmte die Leipziger Bereitschaftspolizei im
Auftrag der Staatsanwaltschaft große Teile einer Choreographie von Fans der BSG Chemie Leipzig. Auf
den beschlagnahmten Elementen befand sich u.a. eine grafische Adaption des Wappens des
Stadtteils Leipzig-Leutzsch. Seit Wochen wurde der Spieltag, der unter dem Motto »Königreich
Leutzsch« initiiert wurde und in dessen Zentrum ein Teil kommunaler Geschichte und die Stadt- und
Zivilgesellschaft im Leipziger Westen stehen sollte, vorbereitet. Dabei sollten insbesondere sozial
schwachen Menschen und Stadtteilinitiativen der kostenfeie Stadionbesuch ermöglicht werden. In
die thematische Choreographie flossen also neben einer Menge Geld und Material auch extrem viel
ehrenamtliche Arbeit.

Mit dem Großbegriff der »Gefahrenabwehr« und einem angeblichen Strafverfolgungsinteresse
veranlasste Oberstaatsanwalt Ricardo Schulz am Sonntag-Mittag kurz vor Spielbeginn die
Beschlagnahme der Choreographie. Im Raum stand u.a. auch die Identitätsfeststellung von 30
jugendlichen Fans, die die Fahnen ins Stadion bringen wollten. Fananwälte vom Rechtshilfekollektiv
konnten zumindest diese Maßnahme unterbinden.

Vor Ort begründete die Polizei die Maßnahme zuerst mit einer Ordnungswidrigkeit: Das Logo des
Stadtteils »Leutzsch« sei auf Plakaten zu sehen gewesen, die »wild« in der Stadt aufgehangen
worden seien. Das Choreo-Element sei somit Beweismittel, die dieses tragenden Personen potentiell
verdächtig. »Eine völlig absurde Konstruktion«, wie anwesende Fananwälte bereits während der
Maßnahme monierten. Im Nachgang schoben die Staatsanwaltschaft laut Medieninformationen
weitere Gründe nach: der Brandschutz der Choreo wurde ebenso ins Feld geführt wie eine
angebliche Urheberrechtsverletzung bei der Nutzung des Stadtteillogos. Offensichtlich bewusst
wurden außerdem Absprachen der Sicherheitsberatung zur Choreo falsch widergegeben.
Miriam Feldmann vom Rechtshilfekollektiv sagt dazu: »Die Konstruiertheit der Argumentation,
wechselnde Begründungen und unscharfe juristische Einlassungen zeugen unserer Meinung nach
ganz deutlich von einem problematischen Verfolgungseifer der Ermittlungsbehörden, der
Rechtsgrundsätze zum wiederholten Mal mit Füßen tritt«.

Nur dem zurückhaltendem Verhalten der Fans der BSG ist es zu verdanken, dass die Provokationen
von Polizeiführung und Staatsanwaltschaft nicht zu einer Eskalation führten. Den am Spieltag
beteiligten Exekutivorganen fehlte es offensichtlich nicht nur an Fingerspitzengefühl, sondern an
jedwedem Verständnis für fankulturelle Darstellung und Repräsentation. Auch die Bedeutung eines
»positiven Saisonabschlusses«, vom gesellschaftlichen Wert von Vereinsarbeit und Ehrenamt ging
den Behörden völlig ab. Der Aktionismus am gestrigen Tag ist für uns als Fanhilfe der Höhepunkt
einer Repressionswelle, die seit mehr als einem Jahr über die AnhängerInnenschaft der BSG
hinwegzieht. Umso beeindruckender war gestern die alle Bereiche umfassende Solidarität, die sich
gegen die Maßnahmen der Polizei formierte: 4300 Chemiefans jeglicher Couleur, Fanclubs,
VereinsverterterInnen, Gremien, SponsorInnen, Spieler und Stab zeigten klar und deutlich, was sie
von den Maßnahmen hielten und standen symbolisch auf dem Norddamm und im gesamten Stadion
zusammen, um knapp 20 Minuten gegen die Staatsanwaltschaft und ihre Entscheidung zu
protestieren. Ein Szenario, das es bisher in dieser Form im Land noch nicht gegeben hat.

Für Miriam Feldmann, Sprecherin der Fanhilfe ist angesichts der Zäsur vom Sonntag klar: »Neben
einer kritischen Medienberichterstattung, die sich nicht von den Falschinformationen der
Pressestelle der Polizeidirektion veralbern lässt, erwarten wir vor allem die sofortige Versetzung
von Oberstaatsanwalt Schulz in die sächsische Provinz. In einer kosmopolitischen und weltoffenen
Metropole wie Leipzig hat solch ein, von ideologischem Eifer getriebener Staatsbeamter nichts zu
suchen.«

Das Rechtshilfekollektiv ist die selbstorganisierte Fanhilfe der Anhängerinnen und Anhänger des
Leutzscher Fußballvereins BSG Chemie Leipzig. Als eingetragener Verein sind wir u.a. im
bundesweiten »Dachverband der Fanhilfen« assoziiert. Zweck des Verbandes ist die Förderung von
Interessen von Fußballfans sowie die Unterstützung bei der Wahrnehmung und Durchsetzung ihrer
bürgerlichen Rechte.

Für Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Die Pressemitteilung ist HIER als PDF downloadbar

Miriam Feldmann (Pressesprecherin)
Via Mail: kontakt@rechtshilfe-chemie.de
Via Telefon: 01573-2927517

Frühere Presseinformationen zu Fall finden Sie auf unserer Homepage: http://www.rechtshilfe-
chemie.de/

Leipzig, 29. Mai 2023

Pressemitteilung: DNA-Entnahme bei Chemiefans laut Gerichtsentscheidung rechtswidrig! Öffentlichkeitsfahndung weiter in der Kritik.

Pressemitteilung  des Rechtshilfekollektivs BSG Chemie Leipzig e.V.  (9. Dezember 2022)
 
•  Chemie-Fans gehen juristisch gegen völlig überzogene Maßnahmen von Polizei und Staatsanwaltschaft vor
•  Insbesondere DNA-Entnahmen zu präventiven Zwecken rechtswidrig
•  Landgericht kippt erste Beschlüsse der Leipziger Staatsanwaltschaft

Das Landgericht Leipzig hat mit zwei aktuellen Beschlüssen entschieden, dass die DNA-Abnahme zweier
Fußballfans durch die Polizei im Rahmen der Derbyermittlungen klar rechtswidrig war. Die beiden Chemiefans
sind im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen zum Derby am 7. Mai 2022 ins Visier der Fahnder geraten. Im
Rahmen staatsanwaltschaftlicher und polizeilicher Maßnahmen mussten sie präventiv ihre DNA abgeben. Die
präventive DNA-Entnahme ist für die betroffene Person besonders gravierend, denn das gewonnene Profil
wird nicht nach Abschluss des Verfahrens gelöscht, sondern für lange Zeit in einer Datenbank gespeichert und
bei allen möglichen Straftaten abgeglichen.

Im konkreten Fall sind beide Chemie-Fans mit der Hilfe ihrer Anwältinnen gegen den Beschluss und seinen
Vollzug vorgegangen. Aus Sicht der Fans und ihrer Rechtsbeistände war die Entnahme unbegründet. Beide
waren in der Vergangenheit weder besonders auffällig, noch liegen Anhaltspunkte vor, dass von ihnen derzeit
eine besondere Gefahr ausgeht. Dieser Argumentation folgten nun auch die Richter:innen in Leipzig. Die DNA-
Entnahme erfolgte auf Grundlage des § 81g StPO – also als präventive Speicherung für eventuelle zukünftige
Straftaten. Da dies aber einen erheblichen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung
darstellt, ist die Entnahme nach § 81g StPO an hohe Hürden gebunden. Diese sah das Gericht nicht erfüllt an.
Nur weil eine einmalige Begehung einer Straftat vorgeworfen wurde, kann man nicht darauf schließen, dass
die beschuldigte Person in Zukunft weitere Straftaten begehen werde, urteilten die Richter:innen.

Miriam Feldmann, Sprecherin der Leipziger Fanhilfe kritisiert im Zuge der Landgerichts-Entscheidung vor
allem die Leipziger Staatsanwaltschaft: »Der für die Ermittlungen zuständige Staatsanwalt hat jedes Maß
an juristischer Wirklichkeit verloren. Ganz offensichtlich treibt ihn ein problematischer Verfolgungseifer,
der mit strafprozessualen Realitäten nichts mehr zu tun hat. Hier hat sich jemand ein politisches Feindbild
erschaffen, hier agiert eine Staatsanwaltschaft mit Methoden, die man gemeinhin als unseriös bezeichnen
kann.«

Bereits der den Derby-Auseinandersetzungen zugrundeliegende Polizeieinsatz am 7. Mai 2022 geriet
zuletzt immer mehr in den Blick politischer Debatten. In zwei Kleinen Anfragen wurde der Einsatz bereits
parlamentarisch im Sächsischen Landtag durch Abgeordnete hinterfragt. Kritisch wird auch die
Öffentlichkeitsfahndung gesehen, mit der die Staatsanwaltschaft bis heute, u.a. mit dem MDR nach
möglichen Straftätern sucht. Anfang dieser Woche problematisierte das investigative und bundesweite
Medienportal »uebermedien« die Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Presse. Letztere müsse sich
kritischer mit den bisweilen haarigen Ermittlungsansätzen und Hintergründen auseinandersetzen, anstatt
als alternative Pressestelle der Staatsanwaltschaft zu agieren.

Für Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung!

Die Pressemittelung hier als PDF downloadbar.

Weitere Infos:

•  A. Reisin: Wenn Journalisten sich als Hilfssheriffs verstehen, https://uebermedien.de/79277/wenn-
journalisten-sich-als-hilfssheriffs-verstehen/
•  Der Fall René Kindermann: oder wie sich der MDR als Pressestelle der Sächsischen Polizei
bewirbt, http://www.rechtshilfe-chemie.de/?p=401
•  E. Lopez. Das Spiel dauert nicht nur 90 Minuten, in: Kreuzer Stadtmagazin, 11/2022
•  B. Schlehahn: Fanhilfen machen mobil, in: LVZ v. 8.12.2022,
https://www.lvz.de/sport/regional/fanhilfen-machen-mobil-gegen-willkuer-unverhaeltnismaessigkeit-
und-das-feindbild-fanHGWI5DWYOMHVWTGN2TRXVBJB44.html

Mail: kontakt@rechtshilfe-chemie.de oder telefonisch: 01573-2927517 (Miriam Feldmann)
 
Das Rechtshilfekollektiv/RHK ist die Fanhilfe der Fanszene von Chemie Leipzig und im bundesweiten
Dachverband Fanhilfen e.V. assoziiert. Wir sind Teil einer übergreifenden Solidargemeinschaft zur
Unterstützung von Fans der BSG, die aufgrund von Ereignissen rund um die Spiele unseres Vereins Probleme
mit der Polizei oder Justiz bekommen haben.

Der Fall René Kindermann: oder wie sich der MDR als Pressestelle der Sächsischen Polizei bewirbt

Der Fall René Kindermann: oder wie sich der MDR als Pressestelle der Sächsischen Polizei bewirbt

 

Am vergangenen Sonntag berichtete der Mitteldeutsche Rundfunk in seiner Sendung „Kripo Live“ über die Öffentlichkeitsfahndung rund um die Auseinandersetzungen beim letzten Derby im Mai 2022 im Alfred-Kunze-Sportpark. In einem reißerischen Beitrag durfte der Sportreporter René Kindermann die Arbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft inhaltlich flankieren. Während im Hintergrund die Fotos von mutmaßlich beteiligten Akteuren durchs Bild liefen, empfahl sich René Kindermann – im normalen Leben seit Jahrzehnten auf dem Feld des genuinen Sportjournalismus tätig – als neuer „Szenekundiger Beamter“ für das Landeskriminalamt: er mutmaßte über die Gründe für die Auseinandersetzungen zwischen Chemiefans und Polizei, konstruierte absurde Rache- und Gewaltideen in Bezug auf den Lokalrivalen, brachte zeitliche wie inhaltliche Abläufe durcheinander: kurzum – er dichtete der bereits fragwürdigen und ideologischen Erzählung von Sonderkommission und Staatsanwaltschaft ein ganz eigenes Narrativ an.

Wir als ehrenamtlich arbeitende Fanhilfe der AnhängerInnenschaft der BSG Chemie Leipzig kritisieren hier nicht nur die Naivität und Dummheit von René Kindermann: er hat sich quasi als „neutraler und vermeintlich beliebter“ Sportreporter vor den Karren der Ermittlungsbehörden spannen lassen. Das mag alters- und professionspsychologische Gründe haben. Wir kritisieren in erster Linie den Mitteldeutschen Rundfunk, der mit dem Beitrag rund um die massenhafte Öffentlichkeitsfahndung jedwedes kritisches Bewusstsein eingebüßt zu haben scheint. Dass Fahndungen in dieser Form ein besonders problematisches und in Bezug auf die Grundrechte sehr eingriffsintensives Instrument sind, ist sicherlich auch dem MDR nicht neu. Personen, die mit der Unterstützung der öffentlich-rechtlichen Medien gesucht werden, sind quasi automatisch stigmatisiert und in ihrem beruflichen und privaten Umfeld bloßgestellt. Vor allem gilt dies bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die bekannter Weise das Hauptklientel im Fußballkontext abbilden. Anstatt also dem Ermittlungseifer der Leipziger Staatsanwaltschaft mit Augenmaß und Zurückhaltung zu begegnen, reiht sich der MDR in die völlig emotionalisierte Debatte rund um die Aufarbeitung des Derbys ein. Weder prüft er die strafprozessuale Legalität noch den genauen Kontext der Ereignisse. Er übernimmt 1:1 die Sicht- und Betrachtungsweise der sächsischen Sonderkommission: zugespitzt könnte man meinen, der MDR sei der verlängerte Arm der LKA-Pressestelle.

Mitnichten wollen wir an dieser Stelle ein pauschales öffentlich-rechtliches Medienbashing betreiben. Nichts liegt uns ferner. Wir möchten viel eher an den Berufsethos der PressevertreterInnen appellieren und an das, was zumindest wir als „kritische Einordnung“ von Ereignissen bezeichnen. Stellen sie die richtigen Fragen, bohren sie nach, recherchieren sie Kontexte! Welchen Tatbeitrag lieferte beispielsweise die Polizei am Tag selbst? Warum stürmten schwer bewaffnete Einheiten während des Spiels einen völlig friedlichen und feiernden Fanblock? Wie viele verletzte Fans gab es eigentlich und wird gegen Beamte ermittelt? Wurden Kinder, junge Leute und alte Menschen durch das massenhaft eingesetzte Pefferspray verletzt? Hat die Polizei ihren Einsatz kritisch ausgewertet? Was sagen eigentlich Fans und Fanorganisationen? Welche Rolle spielt die persönliche Fehde von Oberstaatsanwalt Ricardo Schulz mit dem Verein BSG Chemie Leipzig? Uns jedenfalls würden noch tausend weitere investigative Fragen einfallen (und wir haben das nicht einmal studiert…). Und hören Sie bitte auf, die Bevölkerung Leipzigs zu selbsternannten Hilfssheriffs zu empowern.

Der allseits bekannte und sicher auch von Ihnen geschätzte Kommentator der Süddeutschen Zeitung Heribert Prantl schrieb einmal anlässlich der G20-Fahndungen in Hamburg: „Es gehört zu den Aufgaben von Polizei und Staatsanwaltschaft, Täter zu suchen. Es gehört nicht zu den Aufgaben von Polizei und Staatsanwaltschaft, bei dieser Suche Mittel einzusetzen, die unverhältnismäßig, untauglich und gefährlich sind. (…) Das ist eine gigantische Öffentlichkeitsfahndung, ein Massenscreening, eine Aufforderung zur öffentlichen Rasterfahndung.“ Vielleicht bietet dieses Zitat den Einstieg für eine selbstkritische Reflexion des MDR. Wir würden uns sehr darüber freuen – über eine Entschuldigung von René Kindermann übrigens auch.

 

Rechtshilfekollektiv Chemie Leipzig, 21. September 2022

Der Beitrag hier als PDF zum herunterladen Der Fall Rene Kindermann

Pressemitteilung zu der Öffentlichkeitsfahndung vom 14. September 2022 im Zuge des Derbys

Pressemitteilung zu der Öffentlichkeitsfahndung  vom 14. September 2022 im Zuge des Derbys

Die Polizei bzw. Staatsanwaltschaft Leipzig führt nun also eine Öffentlichkeitsfahndung oder auch Identitätsfeststellungsfahndung wegen des Derbys vor ein paar Monaten durch. Nicht das erste mal, dass in Sachsen Fußballfans an den medialen Pranger gestellt werden, man erinnere sich an Dresden. Aber was solls; Bilder von als Chaoten bezeichneten Fußballfans liefen bei Bild, Tag24 und Co doch eh rauf und runter, warum sich also aufregen? Und überhaupt: selber Schuld, wer da bei diesem Krawall rumhängt! Oder?

Nein, denn hier geht es um mehr.

Die Öffentlichkeitsfahndung (genauer: Identitätsfeststellungsfahndung) stellt einen erheblichen Grundrechtseingriff von enorm hoher Intensität dar. Egal was die oben erwähnten Klatschblätter schreiben mögen, für jeden vermeintlichen „Chaoten“ gilt zunächst die Unschuldsvermutung.

Schön und gut, dass es diese gibt, wenn allerdings dein Gesicht im Rahmen einer polizeilichen Fahndung in Kombination mit einem Tatvorwurf öffentlich medial verbreitet wird, dann erkläre mal deinen Nachbar*innen, Kolleg*innen, etc. dass für dich die Unschuldsvermutung gilt. Selbst im Falle einer Anklage, bei der ein wesentlich höherer Verdachtsgrad vorliegen muss (für die Fahndung genügt bereits einfacher Tatverdacht), wird das Gesicht des oder der Angeklagten nicht zwangsläufig der breiteren Öffentlichkeit bekannt. Es ist offensichtlich, dass mit dieser Maßnahme eine erhebliche Rufschädigung für alle von ihr Betroffenen einhergeht. Die Vorverurteilung – zumindest bei all jenen, die diese Bilder sehen – ist damit bereits durch. Für Betroffene muss sich die Veröffentlichung bereits wie eine Strafe anfühlen.

Daher ist die Identitätsfeststellungsfahndung, die sich, sofern sie sich gegen den oder die Beschuldigten richtet, in § 131b Abs. 1 StPO wiederfindet, eigentlich an bestimmte Anforderungen geknüpft:

„Die Veröffentlichung von Abbildungen eines Beschuldigten, der einer Straftat von erheblicher Bedeutung verdächtig ist, ist auch zulässig, wenn die Aufklärung einer Straftat, insbesondere die Feststellung der Identität eines unbekannten Täters auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wäre“.

Es bedarf also 1. einer Straftat von erheblicher Bedeutung und 2. muss die Feststellung der Identität auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert sein (sog. Subsidiaritätsklausel).

Aus unserer Sicht liegen die Voraussetzungen hierfür im konkreten Fall nicht vor:

1. Ob es sich um eine Straftat „von erheblicher Bedeutung“ handelt, soll zwar von einer einzelfallbezogenen Beurteilung abhängen, nichtsdestotrotz ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den Tatvorwürfen nicht um Verbrechen, sondern lediglich um Vergehen handelt. Im Übrigen müssen auch hier stets die beeinträchtigten Interessen der Betroffenen abgewogen werden.

2. Offensichtlich haben die die Ermittlung führende Staatsanswaltschaft und das Gericht, welches den Beschluss durchwinkte, jedoch den Grundsatz der Subsidiarität nicht gewahrt: Bevor eine solch drastische eingriffsintensive Maßnahme gezogen wird, hätten zunächst, andere mildere – möglicherweise auch weniger, wenn auch nicht erheblich weniger erfolgsversprechende – Maßnahmen der Ermittlungen ergriffen werden müssen. Was hat die Polizei unternommen? Das Derby liegt wenige Monate zurück. Man positionierte sich einige darauffolgende Spiele mit Bildermappen am Hauptbahnhof, zog willkürlich mal hier mal da ein paar Fans raus und nun scheint die Geduld bereits am Ende. Und das obwohl wegen vermeintlich „erheblicher“ Straftaten ermittelt wird, die erst in vielen Jahren verjähren werden.

Die Leipziger Polizei verfügt über szenekundige Beamten. Die chemische Fußballszene wird seit Jahren beobachtet und mit Repressionen überzogen, nun sieht man schon nach wenigen Wochen der Ermittlungen keine andere Möglichkeit als öffentlich nach Tatverdächtigen zu fahnden.

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es sich hierbei nicht um eine unüberschaubare riesige Erstliga-Szene handelt, bei der regelmäßig zehntausende ins Stadion pilgern und der man gar nicht anders Herr werden könnte. Die BSG spielt in der Regionalliga. Beim Derby waren 5.000 Zuschauer. Offensichtlich bereits zu viel für die Leipziger Polizei?

Abermals setzt man hier auf maximale Repression, anstelle von Aufarbeitung, Augenmaß und Verhältnismäßigkeit. Da bleibt es nur eine Randnotiz, dass die Leipziger Polizei vor einiger Zeit in Böhmermanns ZDF Sendung nicht gut weg kam.

Ob man es sich hier nun einfach machen möchte und die Identifikationsfeststellungsfahndung der gemütlichere Weg der Ermittlungen ist, oder ob es tatsächlich auch darum geht, die Tatverdächtigen abzustrafen und kurz vor dem nächsten Derby schon ein mal für ein wenig Abschreckung und damit „Ruhe“ zu sorgen – darüber können wir nur spekulieren. Fest steht: auch die Ermittlungsbehörden haben sich rechtmäßig zu verhalten, was ihnen in unseren Augen abermals nicht gelingt.

Dabei soll nicht unerwähnt bleiben, dass sich die vorangegangene Kritik nun zunächst offensichtlich auf die Öffentlichkeitsfahndung an sich beschränkt. Wie es zu den anlassgebenden Ereignissen selbst gekommen ist und dass die Polizei hieran selbst nicht ganz unschuldig gewesen ist, steht auf einem anderen Blatt…

Wir als Rechtshilfekollektiv Chemie Leipzig kritisieren die Öffentlichkeitsfahndung jedenfalls aufs Schärfste.

Pressemitteilung zum Spiel der BSG Chemie Leipzig am Ostersonntag in Fürstenwalde

Pressemitteilung zum Spiel der BSG Chemie Leipzig am Ostersonntag in Fürstenwalde

  • Fans fordern nach 2 Jahren der Ignoranz endlich Anklage gegen Polizeibeamte
  • Klageerzwingung beim OLG belegt das bisherige Desinteresse der beteiligten Ermittlungsbehörden
  • Das Fehlverhalten der Beamten beim Spiel 2020 muss endlich lückenlos aufgeklärt werden

Im Februar 2020 spielte die BSG Chemie Leipzig das letzte Mal in der Bonava-Arena in Fürstenwalde. Die dramatischen Ereignisse von damals sind allen Beteiligten noch vor Augen: ein Chemie-Fan wurde vor dem Spiel ohne Not von der eingesetzten Bereitschaftspolizei rabiat vom Zaun gerissen, die Zaunzacken bohrten sich dabei tief in seinen Oberschenkel und führten zu schweren Verletzungen. Neben fast zwei Monaten Krankenhaus und Reha folgte vor allem eine unwürdige und verharmlosende juristische Aufarbeitung der Ereignisse. Während mehrere Chemiefans Anklagen und Strafbefehle – u.a. wegen Beleidigung – erhielten, wurden die Ermittlungen gegen die beiden beteiligten Polizeibeamten damals nach wenigen Monaten sang- und klanglos eingestellt. Ein veritabler Polizeiskandal. Fans und Vereinsvertreter der BSG waren ebenso fassungslos wie die Rechtsbeistände der Betroffenen.

Heute ist die Situation eine andere. Einzig durch den juristischen und politischen Druck, die Herstellung einer kritischen Öffentlichkeit und die Ausdauer aller polizeikritischen Verfahrensbeteiligten sind die Ermittler von damals vom Fall abgezogen. In einem sogenannten Klageerzwingungsverfahren bestätigte das OLG Brandenburg die ungenügenden und einseitigen Ermittlungen der Polizei und Staatsanwaltschaft und ordnete eine Überprüfung an. Nach zwei Jahren wurden endlich wichtige Zeugen vernommen und  Videoaufnahmen gesichtet. Gleichzeitig wurden alle angeklagten Chemiefans in klaren Urteilen freigesprochen.

Miriam Feldmann von der Leipziger Fanhilfe begleitet die Verfahren seit über zwei Jahren: »Der Fall Fürstenwalde offenbart deutlich, wie sich Polizist:innen bei Fehlverhalten gegenseitig den Rücken frei halten. Korpsgeist und polizeitypische Gruppendynamiken des Zusammenhalts sind seit Jahren bekannte Probleme bei Sicherheitsbehörden. Diese ‚Kultur der bedingungslosen Solidarität‘ ist ein riesiges Strukturproblem, begünstigt strafbares Verhalten und muss endlich geahndet werden!«

Wie sich die Polizei zum anstehenden Spiel am Ostersonntag der Öffentlichkeit präsentieren wird, ist offen. Ebenso offen ist, ob sich am Spieltag die beteiligten Polizeibeamten und der Geschädigte gegenüber stehen werden. Das Spiel wird deshalb unter Beobachtung von Parlamentarier:innen und Pressevertreter:innen stattfinden.

Für Presserückfragen stehen wir gerne zur Verfügung!

Miriam Feldmann (Pressesprecherin)

Via Mail: kontakt@rechtshilfe-chemie.de 

Telefonisch: 01573-2927517

Frühere Presseinformationen zu Fall finden Sie auf unserer Homepage: http://www.rechtshilfe-chemie.de/

Aktuelle Infos finden Sie hier:

https://www.instagram.com/rechtshilfekollektiv/

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