Pressemitteilung des »Rechtshilfekollektivs« zur Beschlagnahme der Choreographie durch die Leipziger Staatsanwaltschaft vor dem Spiel der BSG Chemie Leipzig gegen Energie Cottbus


Pressemitteilung des »Rechtshilfekollektivs« zur Beschlagnahme der
Choreographie durch die Leipziger Staatsanwaltschaft vor dem Spiel der BSG
Chemie Leipzig gegen Energie Cottbus


• Maßnahme von Oberstaatsanwalt Schulz führt zu landesweit
einmaliger Solidarisierungsaktion von 4300 Fans, Mannschaft,
Trainerstab und Vereinsführung

• Polizei biegt sich im Nachgang Beschlagnahme-Gründe zurecht und
veröffentlicht bewusst Falschinformationen

• Fanhilfe fordert Konsequenzen bei den Verantwortlichen von Polizei
und Staatsanwaltschaft

Vor dem gestrigen letzten Regionalligaspiel beschlagnahmte die Leipziger Bereitschaftspolizei im
Auftrag der Staatsanwaltschaft große Teile einer Choreographie von Fans der BSG Chemie Leipzig. Auf
den beschlagnahmten Elementen befand sich u.a. eine grafische Adaption des Wappens des
Stadtteils Leipzig-Leutzsch. Seit Wochen wurde der Spieltag, der unter dem Motto »Königreich
Leutzsch« initiiert wurde und in dessen Zentrum ein Teil kommunaler Geschichte und die Stadt- und
Zivilgesellschaft im Leipziger Westen stehen sollte, vorbereitet. Dabei sollten insbesondere sozial
schwachen Menschen und Stadtteilinitiativen der kostenfeie Stadionbesuch ermöglicht werden. In
die thematische Choreographie flossen also neben einer Menge Geld und Material auch extrem viel
ehrenamtliche Arbeit.

Mit dem Großbegriff der »Gefahrenabwehr« und einem angeblichen Strafverfolgungsinteresse
veranlasste Oberstaatsanwalt Ricardo Schulz am Sonntag-Mittag kurz vor Spielbeginn die
Beschlagnahme der Choreographie. Im Raum stand u.a. auch die Identitätsfeststellung von 30
jugendlichen Fans, die die Fahnen ins Stadion bringen wollten. Fananwälte vom Rechtshilfekollektiv
konnten zumindest diese Maßnahme unterbinden.

Vor Ort begründete die Polizei die Maßnahme zuerst mit einer Ordnungswidrigkeit: Das Logo des
Stadtteils »Leutzsch« sei auf Plakaten zu sehen gewesen, die »wild« in der Stadt aufgehangen
worden seien. Das Choreo-Element sei somit Beweismittel, die dieses tragenden Personen potentiell
verdächtig. »Eine völlig absurde Konstruktion«, wie anwesende Fananwälte bereits während der
Maßnahme monierten. Im Nachgang schoben die Staatsanwaltschaft laut Medieninformationen
weitere Gründe nach: der Brandschutz der Choreo wurde ebenso ins Feld geführt wie eine
angebliche Urheberrechtsverletzung bei der Nutzung des Stadtteillogos. Offensichtlich bewusst
wurden außerdem Absprachen der Sicherheitsberatung zur Choreo falsch widergegeben.
Miriam Feldmann vom Rechtshilfekollektiv sagt dazu: »Die Konstruiertheit der Argumentation,
wechselnde Begründungen und unscharfe juristische Einlassungen zeugen unserer Meinung nach
ganz deutlich von einem problematischen Verfolgungseifer der Ermittlungsbehörden, der
Rechtsgrundsätze zum wiederholten Mal mit Füßen tritt«.

Nur dem zurückhaltendem Verhalten der Fans der BSG ist es zu verdanken, dass die Provokationen
von Polizeiführung und Staatsanwaltschaft nicht zu einer Eskalation führten. Den am Spieltag
beteiligten Exekutivorganen fehlte es offensichtlich nicht nur an Fingerspitzengefühl, sondern an
jedwedem Verständnis für fankulturelle Darstellung und Repräsentation. Auch die Bedeutung eines
»positiven Saisonabschlusses«, vom gesellschaftlichen Wert von Vereinsarbeit und Ehrenamt ging
den Behörden völlig ab. Der Aktionismus am gestrigen Tag ist für uns als Fanhilfe der Höhepunkt
einer Repressionswelle, die seit mehr als einem Jahr über die AnhängerInnenschaft der BSG
hinwegzieht. Umso beeindruckender war gestern die alle Bereiche umfassende Solidarität, die sich
gegen die Maßnahmen der Polizei formierte: 4300 Chemiefans jeglicher Couleur, Fanclubs,
VereinsverterterInnen, Gremien, SponsorInnen, Spieler und Stab zeigten klar und deutlich, was sie
von den Maßnahmen hielten und standen symbolisch auf dem Norddamm und im gesamten Stadion
zusammen, um knapp 20 Minuten gegen die Staatsanwaltschaft und ihre Entscheidung zu
protestieren. Ein Szenario, das es bisher in dieser Form im Land noch nicht gegeben hat.

Für Miriam Feldmann, Sprecherin der Fanhilfe ist angesichts der Zäsur vom Sonntag klar: »Neben
einer kritischen Medienberichterstattung, die sich nicht von den Falschinformationen der
Pressestelle der Polizeidirektion veralbern lässt, erwarten wir vor allem die sofortige Versetzung
von Oberstaatsanwalt Schulz in die sächsische Provinz. In einer kosmopolitischen und weltoffenen
Metropole wie Leipzig hat solch ein, von ideologischem Eifer getriebener Staatsbeamter nichts zu
suchen.«

Das Rechtshilfekollektiv ist die selbstorganisierte Fanhilfe der Anhängerinnen und Anhänger des
Leutzscher Fußballvereins BSG Chemie Leipzig. Als eingetragener Verein sind wir u.a. im
bundesweiten »Dachverband der Fanhilfen« assoziiert. Zweck des Verbandes ist die Förderung von
Interessen von Fußballfans sowie die Unterstützung bei der Wahrnehmung und Durchsetzung ihrer
bürgerlichen Rechte.

Für Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Die Pressemitteilung ist HIER als PDF downloadbar

Miriam Feldmann (Pressesprecherin)
Via Mail: kontakt@rechtshilfe-chemie.de
Via Telefon: 01573-2927517

Frühere Presseinformationen zu Fall finden Sie auf unserer Homepage: http://www.rechtshilfe-
chemie.de/

Leipzig, 29. Mai 2023