Presseinformation des Rechtshilfekollektiv Chemie Leipzig e.V.

Presseinformation des Rechtshilfekollektiv Chemie Leipzig e.V.

• Landgerichtsurteil zum Thema »kurzzeitige Vermummung« bestätigt
• Zahlreiche Einstellungen in Derbyverfahren aufgrund neuer Gesetzeslage
• Staatsanwaltschaft Leipzig nimmt Revision vor dem OLG zurück und beugt
sich liberalen Rechtsstaatsgrundsätzen

Nicht jede Vermummung bei Fußballspielen in Sachsen ist strafbar. Mehrere Fans der BSG Chemie haben
zusammen mit ihren Anwältinnen und Anwälten richtungsweisenden Urteile bzw. Einstellungen erstritten.
Demnach ist nach der Novellierung des Sächsischen Versammlungsgesetzes bei Sportveranstaltungen die
»kurzzeitige Vermummung« unter bestimmten Umständen nicht strafbar – das gilt insbesondere für Altfälle.

Mehrere Verfahren, so etwa von den Rechtsanwälten Daniel Werner, Jonas Teubner und Erkan Zünbül, die alle
vermeintliche Straftaten wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz vom Derby des 8. Mai 2022 betrafen,
endeten nunmehr mit Freisprüchen oder Einstellungen. In besagten Fällen sollen sich einzelne Fans vor oder
während des Spiels temporär vermummt haben. Beispielweise wurde einem Fan, die auch Mitglied der Fanhilfe
ist, vorgeworfen, sich kurze Zeit während des Abbaus einer Choreografie vermummt zu haben. Monatelang
hatte die Leipziger Staatsanwaltschaft dazu mit hohem Aufwand ermittelt, u.a. wurden sogenannte Super-
Recognizer und verdeckte Ermittler im Stadion eingesetzt. Der überbordende Ermittlungseifer des zuständigen
Staatsanwalts wurde durch Fananwält:innen und das Rechtshilfekollektiv bereits mehrmals in der
Medienberichterstattung kritisiert.

Das Thema »kurzeitige Vermummung« bei Fußballspielen war bereits häufiger Anlass juristischer
Auseinandersetzungen. »Zentral war dabei stets die Frage, ob die Person, die kurzzeitig z.B. einen Fan-Schal
über die Nase zieht oder Mütze und Sonnenbrille aufsetzt, wirklich ihre Identität vor der Polizei verschleiern
will. Sehr oft ist das gar nicht intendiert und hat ganz andere Gründe«
, so Miriam Feldmann vom
Rechtshilfekollektiv.

In den vorliegenden Fällen musste dieser Frage nicht nachgegangen werden, denn durch eine Gesetzesänderung
im September 2024 änderte sich die Rechtslage: die Strafbarkeit von Vermummungen auf »sonstigen
öffentlichen Veranstaltungen« im sächsischen Versammlungsrecht wurde gestrichen und stattdessen neu im
Sächsischen Polizeibehördengesetz geregelt. Nunmehr erfordert diese jedoch dem klaren Wortlaut nach eine
vorherige behördliche Anordnung. Eine solche hatte es beim Derby im Mai 2022 nicht gegeben. Für Altfälle gilt
nun: das neue Gesetz ist milder und damit anzuwenden – eine juristische Binsenweisheit, welche die Leipziger
Staatsanwaltschaft jedoch zunächst nicht einsehen wollte.

Rechtsanwalts Werners Fall ging bis vor das Landgericht und endete mit Freispruch – wir berichteten. Doch die
Staatsanwaltschaft legte wie von uns bereits befürchtet Revision ein. Nun nahm Sie diese kurz vor Weihnachten
zurück.

Rechtsanwalt Daniel Werner dazu: »Mit der Rücknahme der Revision hat die StA Leipzig gerade noch so die
Kurve gekriegt. Bei einer Gesetzesänderung im laufenden Strafverfahren ist das mildere Gesetz anzuwenden.
Das ist im Strafgesetzbuch und im Grundgesetz klar geregelt. Wenn dies über weite Strecken des Verfahrens
abgelehnt wird, scheint es bei der StA Leipzig Probleme mit der Akzeptanz des liberalen Rechtsstaates zu
geben.«

Wir freuen uns mit den betroffenen Chemie-Fans und ihren Rechtsbeiständen über die Freisprüche. Die Kosten
der Verfahren übernimmt die Staatskasse.

Für etwaige Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung.

Miriam Feldmann (Pressesprecherin)

Kontakt via Mail: kontakt@rechtshilfe-chemie.de

Weitere Infos finden Sie auf unserer Instagram-Seite und unter http://www.rechtshilfe-chemie.de/

Die Pressemitteilung ist HIER als PDF downloadbar