FESTNAHMEN JEGLICHER ART

1. Allgemein

Zu einer Fest- oder Ingewahrsamnahme, kann es schneller kommen, als du denkst. Vielleicht ist gerade zwischen zwei Fanlagern was passiert und es wird pauschal alles eingesammelt, was auch nur entfernt im Umkreis steht. Oder ein paar szenekundige Beamte vermuten, dass es unter Umständen, vielleicht, eventuell, möglicherweise zu Ausschreitungen kommen könnte und lassen euch sicherheitshalber auf die Wache bringen („präventive Gefahrenabwehr”).

Zur Begrifflichkeit ist zu sagen, dass für eine Festnahme immer ein schriftlicher Haft- oder Unterbringungsbefehl eines Richters nötig ist.
Die Ingewahrsamnahme bzw. das Polizeigewahrsam ist dagegen eine vorbeugende Maßnahme zum Verhindern von Straftaten. Auch hierfür ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit und die Fortdauer des Gewahrsams einzuholen. Wirst du zum Zwecke der Gefahrenabwehr in Gewahrsam genommen, weil die Beamten beispielsweise vermuten, dass du bei einem Fußballspiel randalieren könntest, werden sie dich nach Ende der Partie wieder auf freien Fuß setzen. Einem Haftrichter musst du deshalb nicht vorgeführt werden. Eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Maßnahme kann auf Betreiben des Betroffenen erst im Nachhinein vorgenommen werden. Das heißt: schriftlicher Einspruch wenn du wieder zu Hause bist!
Mit der Verhaftung ist der Festgenommene ein Verdächtiger. Erhärtet sich der Verdacht auf Tat und Täterschaft, wechselt der Status der Person vom Verdächtigen zum Beschuldigten. Das kann auch unmittelbar erfolgen.

Gewahrsam ist aus unterschiedlichen Gründen und in verschiedener Art und Weise möglich und grundsätzlich eine Freiheitsentziehung.

In Sachsen ist er im § 22 SächsPolG geregelt und danach u.a. zulässig, wenn anders eine zulässige Identitätsfeststellung nicht erfolgen kann (z.B: Ausweis nicht dabei), ein Platzverweis nicht befolgt wurde oder die Polizei behauptet, dass ihr ansonsten eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begeht oder fortsetzt („polizeiliche Gefahr“).

2. Was tun?

Wenn du dich gegen eine Festnahme wehrst, kann dir ein Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vorgeworfen werden. Also Ruhe bewahren!

Neben der Bekanntgabe des Grundes für die Maßnahme ist den Verdächtigen über die Rechte und Pflichten als Beschuldigten zu belehren. Außerdem muss er über die Möglichkeit, einen Anwalt zu kontaktieren informiert werden. Laut Strafprozessordnung muss dies geschehen, bevor der Betroffene „zur Person und Sache“ befragt wird. Es gelten dann dieselben Hinweise, wie im Punkt „Personalienkontrolle“. Der Beschuldigte hat das Recht, keine Angaben zur Sache machen zu müssen. Außer den Pflichtangaben zur Person, muss er keine weiteren Fragen beantworten.
Wenn der Betroffene versucht, sich aktiv der Festnahme zu entziehen, setzt die Staatsgewalt „unmittelbaren Zwang“ ein. Die Zwangsmittel reichen von der einfachen körperlichen Gewalt, über den Schlagstock, Tränengas, Wasserwerfer usw.. Da es ab diesem Zeitpunkt wirklich ernst wird und voraussichtlich der Abtransport in eine Gefangenensammelstelle (GeSa) oder die naheliegende Wache folgen wird, ist es unbedingt ratsam, ab sofort die Klappe zu halten.

3. Auf der Wache

Wenn du mit mehreren Leuten zusammen festgenommen wirst, ist es erstmal egal, ob dein Gegenüber einen grünen, roten oder blau-gelben Schal trägt – von hier an sitzen alle im selben Boot. Ihr duldet die Maßnahmen des staatlichen Organs, eine andere Wahl habt ihr eh nicht. Kümmere dich deshalb um jene, die mit der Situation nicht gut umgehen können! Kläre die anderen über ihre Rechte auf und stelle unmissverständlich klar, dass alle unbedingt jegliche Aussagen verweigern sollen! Tausche mit deinen Mitgefangenen Namen und Adressen aus, um bei späteren Einsprüchen diese als Zeugen benennen zu können.
Redet aber auf keinen Fall darüber, was ihr womöglich gemacht oder auch nicht gemacht habt. Jede Aussage ist eine Aussage, die euch oder auch andere belastet. Nicht selten sind Spitzel unter den „Mitgefangenen“. Es wurden bereits mehrere Zivilpolizisten, sogenannte „Agents provocateurs” beim Fußball oder auch bei Demonstrationen entlarvt, die sich selbst vermummen und andere dazu auffordern, Straftaten zu begehen, nur um dann selbst die Aktivitäten bezeugen zu können oder die Maßnahmen der Polizei am Tag zu rechtfertigen.
Im Rahmen der Festnahme/Ingewahrsamnahme darf die Polizei alle Sachen, die du bei dir trägst, an sich nehmen, auswerten und ggf. als Beweismittel gegen dich behalten. Wie üblich protokollieren und Durchschlag geben lassen. Aber nichts unterschreiben. Gezielt überprüft werden in diesem Zusammenhang Handys, um Zusammenhänge zwischen Personen und möglichen Straftaten aufzuklären. Dazu werden die Geräte auch dauerhaft eingezogen und an externe Dienstleister verschickt, die dann den Speicher auslesen. Löscht daher wenn möglich rechtzeitig den Handyspeicher und schaltet das Gerät aus! Einige Fans gehen inzwischen soweit, dass sie nur noch Prepaid-Karten verwenden und bei Festnahmen die SIM-Karte zerstören. Da keine Mitwirkungspflicht besteht, bist du auch nicht verpflichtet das Handy wieder anzuschalten oder deinen PIN-Code zu nennen.

3. Erkennungsdienstliche Maßnahmen

Wollen dich die Beamten einer Erkennungsdienstlichen Behandlung (ED – Fotos, Videografie, Fingerabdrücke, Messungen, Geruchsproben usw.) unterziehen, dann musst du Verdächtigter sein! Bei Zeugen (Nichtverdächtigen) darf dies i.d.R. nur freiwillig geschehen. Insofern noch nicht bekannt, frag nach, was der Grund der Maßnahme ist und ob man dich einer Straftat beschuldigt. Bist du Zeuge, dann lehnst du natürlich ab, ansonsten lege Widerspruch ein und lasse diesen protokollieren. Bei allen Sachen zu denen du keinen Wiederspruch einlegst, muss juristisch davon ausgegangen werden, dass du sie freiwillig mitmachst.
Die Polizei erfragt während der ED oft sehr viele personenbezogene Informationen (Fragen über Geschwister, Eltern, wirtschaftliche Verhältnisse, persönliche Merkmale wie Narben etc.), die allesamt nicht beantwortet werden müssen. Welche Pflichtangaben zu machen sind wie gehabt:

Name, Meldeadresse, Geburtsdatum und -ort, Staatsangehörigkeit, Familienstand (ledig, verheiratet) und ungefähre Berufsangabe, mehr nicht!
Bei einer ED hast du keine Mitwirkungspflicht, musst also weder auf Anweisung im Raum rumlaufen (Bewegungsprofile), Schriftstücke verfassen (Handschriftproben) noch Acht darauf geben, dass beim Abnehmen der Fingerabdrücke nicht wieder und wieder die Farbe verschmiert. Allerdings dürfen die Beamten Zwangsmittel anwenden und können z.B. deinen Kopf in die richtige Fotoposition drehen oder dich rasieren. Aktive Gegenwehr erfüllt zudem den Tatbestand des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte.
Nebenbei, wenn du eine schriftliche Vorladung zur ED-Behandlung erhalten hast, kann es sinnvoll sein, einen Rechtsanwalt einzuschalten, um die Erforderlichkeit und Gebotenheit der Maßnahme durch einen Antrag „auf gerichtliche Entscheidung“ durch das Amtsgericht oder innerhalb eines verwaltungsrechtlichen Verfahrens überprüfen zu lassen.
Laut Strafprozessordnung dürfen die Beamten dir im Rahmen der ED auch körpereigenes Material entnehmen (z.B. Blut für Alkohol- oder Drogentests). Solltest du zu einem Gentest aufgefordert werden (Speichelprobe, Haare, Hautschuppen), dann komme diesem unter keinen Umständen nach. Die DNA-Entnahme und -analyse ist kein Teil der üblichen ED-Behandlung und unterliegt schärferen gesetzlichen Regelungen. Grundsätzlich braucht die Polizei dafür einen richterlichen Beschluss, es sei denn, du stimmst der Entnahme zu. Wichtig ist deshalb, dass du niemals eine freiwillige Einverständniserklärung zur Entnahme von Körperzellen (Speichel, Haare, etc.) und zur Speicherung des DNA-Musters unterzeichnest oder mündlich abgibst.
Die von dir aufgenommenen Daten können unbegrenzt aufbewahrt werden. Wenn du wieder zuhause bist, solltest du deshalb die Löschung der Daten aus der ED-Behandlung bei der zuständigen Bezirksregierung und der Staatsanwaltschaft beantragen. Zusätzlich kannst du nachfragen, was über deine Person gespeichert ist. Sie sind verpflichtet, darüber Auskunft zu geben.

4. „Ich will meinen Anwalt sprechen”

Du hast jederzeit (d.h. ab dem Zeitpunkt, in dem Maßnahmen der Strafverfolgung gegen dich vorgenommen werden) das Recht, dich mit dem Anwalt deines Vertrauens zu beraten. Dafür muss dir ein Telefongespräch ermöglicht werden, wenn du dies wünschst. Speichere also die Nummer deines Anwaltes – und zwar in deinem Gedächtnis. Denn in der Regel kannst du nicht in deinem Handy nachschauen oder irgendwelche Zettel in deinem Portemonnaie suchen. Oft wählen auch die Polizisten für dich und du bekommst nur den Hörer in die Hand, also merke dir die Nummer die du im Notfall anrufen möchtest.
Die alte Geschichte, dass nur ein einziges Telefonat erlaubt sei, ist falsch. Wird dir das Recht auf Verteidigerkonsultation durch die Polizeibeamten verweigert, bleibt nichts anderes übrig, als sich die Uhrzeit und den Namen des verweigernden Beamten zu merken. Dennoch sollte der Wunsch nach Kontakt mit einem Verteidiger so oft wie möglich wiederholt werden.
Hast du deinem Anwalt telefonisch das Mandat erteilt, ihm schon vorher eine Blanko-Vollmacht gegeben oder haben dies, wenn du noch minderjährig bist, deine Erziehungsberechtigten übernommen, dann hat dein Anwalt das Recht auf Zugang zum Beschuldigten.

Generell gilt, je früher ein Verteidiger eingeschaltet wird, umso besser sind die Chancen, dass die Rechte des Beschuldigten in dem Ermittlungsverfahren gegen ihn nicht zu kurz kommen.
Du hast keinen Anspruch darauf, private Telefongespräche zu führen. Aber einige Wachen erlauben ein Gespräch, um beispielsweise die Familie oder den besten Freund zu benachrichtigen. Informiere über die Situation und wo du bist, nenne ggf. den Tatvorwurf, aber sprich nicht darüber, was genau passiert ist!

5. Verletzungen und andere Bedürfnisse

Wenn du Verletzungen hast, dann verlange einen Arzt, der ein Attest anfertigt. Suche nach der Entlassung unbedingt einen weiteren Arzt deines Vertrauens auf, der ebenfalls Verletzungen attestiert.
Jeder hat das Recht, auf Toilette zu gehen, klingt komisch, wurde aber tatsächlich schon mehreren Menschen bei der Polizei verwehrt, die sich dann auf eine Ecke einigen mussten. Außerdem hast du das Recht auf Flüssigkeitszuführung (Wasser etc.). Das Recht auf einen „bequemen“ Schlafplatz besteht allerdings nicht.

6. Wann komme ich raus?

Wie lang du auf der Wache bleiben musst, ist unterschiedlich. Die festgehaltene Person muss entlassen werden, sobald der Grund für die Maßnahme weggefallen ist (z.B. Spiel vorbei) oder durch eine richterliche Entscheidung für unzulässig erklärt wurde (z.B. Ingewahrsamnahme). Auf jeden Fall jedoch muss die Person „spätestens bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen“, also nach maximal 48 Stunden, freigelassen werden, wenn nicht vorher ein Richter die Fortdauer der Freiheitsbeschränkung anordnet.

Schreib sobald wie möglich ein Gedächtnisprotokoll, dies Hilft dir später in einem Verfahren und auch deinem Anwalt. Allzu oft vergisst man selber nach ein paar Tagen was genau alles passiert ist, daher ist es wichtig Sachen aufzuschreiben.