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Pressemitteilung: DNA-Entnahme bei Chemiefans laut Gerichtsentscheidung rechtswidrig! Öffentlichkeitsfahndung weiter in der Kritik.

Pressemitteilung  des Rechtshilfekollektivs BSG Chemie Leipzig e.V.  (9. Dezember 2022)
 
•  Chemie-Fans gehen juristisch gegen völlig überzogene Maßnahmen von Polizei und Staatsanwaltschaft vor
•  Insbesondere DNA-Entnahmen zu präventiven Zwecken rechtswidrig
•  Landgericht kippt erste Beschlüsse der Leipziger Staatsanwaltschaft

Das Landgericht Leipzig hat mit zwei aktuellen Beschlüssen entschieden, dass die DNA-Abnahme zweier
Fußballfans durch die Polizei im Rahmen der Derbyermittlungen klar rechtswidrig war. Die beiden Chemiefans
sind im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen zum Derby am 7. Mai 2022 ins Visier der Fahnder geraten. Im
Rahmen staatsanwaltschaftlicher und polizeilicher Maßnahmen mussten sie präventiv ihre DNA abgeben. Die
präventive DNA-Entnahme ist für die betroffene Person besonders gravierend, denn das gewonnene Profil
wird nicht nach Abschluss des Verfahrens gelöscht, sondern für lange Zeit in einer Datenbank gespeichert und
bei allen möglichen Straftaten abgeglichen.

Im konkreten Fall sind beide Chemie-Fans mit der Hilfe ihrer Anwältinnen gegen den Beschluss und seinen
Vollzug vorgegangen. Aus Sicht der Fans und ihrer Rechtsbeistände war die Entnahme unbegründet. Beide
waren in der Vergangenheit weder besonders auffällig, noch liegen Anhaltspunkte vor, dass von ihnen derzeit
eine besondere Gefahr ausgeht. Dieser Argumentation folgten nun auch die Richter:innen in Leipzig. Die DNA-
Entnahme erfolgte auf Grundlage des § 81g StPO – also als präventive Speicherung für eventuelle zukünftige
Straftaten. Da dies aber einen erheblichen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung
darstellt, ist die Entnahme nach § 81g StPO an hohe Hürden gebunden. Diese sah das Gericht nicht erfüllt an.
Nur weil eine einmalige Begehung einer Straftat vorgeworfen wurde, kann man nicht darauf schließen, dass
die beschuldigte Person in Zukunft weitere Straftaten begehen werde, urteilten die Richter:innen.

Miriam Feldmann, Sprecherin der Leipziger Fanhilfe kritisiert im Zuge der Landgerichts-Entscheidung vor
allem die Leipziger Staatsanwaltschaft: »Der für die Ermittlungen zuständige Staatsanwalt hat jedes Maß
an juristischer Wirklichkeit verloren. Ganz offensichtlich treibt ihn ein problematischer Verfolgungseifer,
der mit strafprozessualen Realitäten nichts mehr zu tun hat. Hier hat sich jemand ein politisches Feindbild
erschaffen, hier agiert eine Staatsanwaltschaft mit Methoden, die man gemeinhin als unseriös bezeichnen
kann.«

Bereits der den Derby-Auseinandersetzungen zugrundeliegende Polizeieinsatz am 7. Mai 2022 geriet
zuletzt immer mehr in den Blick politischer Debatten. In zwei Kleinen Anfragen wurde der Einsatz bereits
parlamentarisch im Sächsischen Landtag durch Abgeordnete hinterfragt. Kritisch wird auch die
Öffentlichkeitsfahndung gesehen, mit der die Staatsanwaltschaft bis heute, u.a. mit dem MDR nach
möglichen Straftätern sucht. Anfang dieser Woche problematisierte das investigative und bundesweite
Medienportal »uebermedien« die Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Presse. Letztere müsse sich
kritischer mit den bisweilen haarigen Ermittlungsansätzen und Hintergründen auseinandersetzen, anstatt
als alternative Pressestelle der Staatsanwaltschaft zu agieren.

Für Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung!

Die Pressemittelung hier als PDF downloadbar.

Weitere Infos:

•  A. Reisin: Wenn Journalisten sich als Hilfssheriffs verstehen, https://uebermedien.de/79277/wenn-
journalisten-sich-als-hilfssheriffs-verstehen/
•  Der Fall René Kindermann: oder wie sich der MDR als Pressestelle der Sächsischen Polizei
bewirbt, http://www.rechtshilfe-chemie.de/?p=401
•  E. Lopez. Das Spiel dauert nicht nur 90 Minuten, in: Kreuzer Stadtmagazin, 11/2022
•  B. Schlehahn: Fanhilfen machen mobil, in: LVZ v. 8.12.2022,
https://www.lvz.de/sport/regional/fanhilfen-machen-mobil-gegen-willkuer-unverhaeltnismaessigkeit-
und-das-feindbild-fanHGWI5DWYOMHVWTGN2TRXVBJB44.html

Mail: kontakt@rechtshilfe-chemie.de oder telefonisch: 01573-2927517 (Miriam Feldmann)
 
Das Rechtshilfekollektiv/RHK ist die Fanhilfe der Fanszene von Chemie Leipzig und im bundesweiten
Dachverband Fanhilfen e.V. assoziiert. Wir sind Teil einer übergreifenden Solidargemeinschaft zur
Unterstützung von Fans der BSG, die aufgrund von Ereignissen rund um die Spiele unseres Vereins Probleme
mit der Polizei oder Justiz bekommen haben.